Sherry Lee Linkon: Strukturwandel erzählen – Arbeiterliteratur nach der Deindustrialisierung

Historiker führen die Ursprünge der modernen Arbeiterklasse gemeinhin auf die Industrialisierung zurück. In „Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse“ schlägt E.P. ompson eine einfache Gleichung vor: „Dampfkraft plus Baumwollspinnerei = Neue Arbeiterklasse“. Ira Katznelson argumentiert, dass die Industrialisierung gemeinsam mit „der Organisation von Produktion, Arbeitsbedingungen, Organisation der Gemeinschaft und Politik“ auch „Sprache, Bewusstsein, und Institutionen – kurz, die symbolischen und organisatorischen Aspekte der Kultur“ verändert habe. Zweihundert Jahre später hat der ökonomische Strukturwandel Ende des 20. Jahrhunderts in ähnlicher Weise nicht nur Arbeitsplatzverluste und neue Arbeitsstrukturen, sondern auch kulturelle Antworten hierauf produziert. Belege hierfür nden sich in der Deindustrialisierungsliteratur, einer zeitgenössischen Arbeiterliteratur, die kulturelle Eekte des
ökonomischen Strukturwandels dokumentiert und interpretiert. Ein Teil dieser Werke antwortet direkt auf Fabrikschließungen, häug liegt der Fokus aber auf der nächsten Generation. Es geht um Menschen aus der Arbeiterklasse, für die die Industriearbeit niemals eine Option gewesen ist, denn viele der Schriftsteller
und Schriftstellerinnen wuchsen in bereits deindustrialisierten Gemeinden auf. Ihre Verweise auf den Erinnerungsbestand der Industriearbeit reektieren deren dominierende Rolle bei der Bestimmung der modernen Arbeiterklasse – und dem Kampf zur Neubestimmung dessen, was Arbeiterklasse in der neuen Dienstleistungsökonomie bedeutet.

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